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Kultur in Theresienstadt

In Theresienstadt gab es legale und illegale kulturelle Treffen und Veranstaltungen. So erzählt beispielsweise Trude Simonsohn, dass sie ihren Mann Berthold Simonsohn kennenlernte, als dieser einen wissenschaftlichen Vortrag hielt. Es gab auch Konzerte in Theresienstadt. Trude Simonsohn beschreibt in ihrer Autobiografie, wie sie dort gemeinsam mit ihrem Mann die Kleine Nachtmusik von Mozart hörte. Von Seiten der Internierten wurde zudem versucht, den Kindern in Theresienstadt Bildung zu ermöglichen. Die Kultur und Bildung war damit auch Teil der Widerstandsarbeit der Menschen in Theresienstadt.

Diese Kultur wurde von den Nazis jedoch auch instrumentalisiert. Als das Internationale Rote Kreuz Theresienstadt 1944 besichtigte, wurde ihnen so zum Beispiel auch die Kinderoper Brundibar vorgeführt, als Beispiel dafür, wie gut es den Juden in Theresienstadt ginge. Gleiches gilt für den Propagandafilm »Theresienstadt. Ein Dokumentarfilm aus dem jüdischen Siedlungsgebiet«, der 1944 von den Nazis gedreht wurde. Viele der Kinder, die in Brundibar mitspielten, überlebten die Lager nicht.

Quelle und weitere Informationen

Ghetto Theresienstadt: Ein Nachschlagewerk

»Unterricht war in Theresienstadt bei hoher Strafandrohung verboten. Die Nazis hatten uns zu ‚Untermenschen‘ erklärt, und ‚Untermenschen‘ durften nichts lernen. Wenn in den Zimmern von L 410 unterrichtet wurde, stand immer ein Mädchen draußen ‚Schmiere‘. Kam ein SS-Mann vorbei, gab es ein vereinbartes Zeichen. In den Zimmern verschwanden Papier und Bleistift blitzartig. Wenn der SS-Mann dann das Zimmer betrat, sah er eifrig bastelnde oder singende Kinder. Basteln und Singen war erlaubt. Auf diese Weise wurde der Unterricht zum Kostbarsten im Leben der Kinder. Kein Kind in Theresienstadt hätte freiwillig je auch nur eine Unterrichtsminute versäumt. (…)

Auch wir Erwachsene sind in den Genuss von Unterricht gekommen. Viele Wissenschaftler ließen uns an ihren Kenntnissen und Erkenntnissen teilhaben. Ich erinnere mich an einen großartigen Vortrag des Rabbiners und Philosophen Leo Baeck über Hellenismus und Judentum. Den eiskalten Boden, auf dem ich saß, habe ich nur anfangs gespürt. Dann habe ich die gesamte Umgebung vollkommen vergessen. Ich habe mich gefühlt wie bei einer Vorlesung in einer Universität. Wir alle, Kinder und Erwachsene, haben das Lernen genossen. Wenn dir von deinen Feinden vermittelt wird, du seist weniger wert als eine Laus – und du erlebst, dass du Neues lernen, Kompliziertes begreifen, denken kannst, dann spürst du: Das stimmt ja gar nicht, was die da erzählen. Ich kann lernen und denken. Ich habe einen Kopf. Ich bin ein Mensch.«

Trude Simonsohn Noch ein Glück. ­Erinnerungen. Erschienen im Wallstein-Verlag. S. 57 und S. 60